Information zum Eichenprozessionsspinner

2017-07-24 EPS Bild 2 Baum
© Landkreis Ludwigslust-Parchim

Der diesjährige Frühling war bislang eher ungemütlich: Erst war es kalt, dann windig und zeitweise verregnet. Nicht nur die Eichen hielten sich deshalb mit ihrem Blattaustrieb lange zurück. Mit den jetzt steigenden Temperaturen reagiert die Natur mit großen Schritten. Die Belaubung der Eichen und warmes, wind- und niederschlagsarmes Wetter sind zugleich die Grundvoraussetzungen für effektive Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Eichenprozessionsspinner (EPS). Um diesen Nachtfalter war es im Landkreis Ludwigslust-Parchim nach 2015 ruhig geworden. Aufgrund der Massenvermehrung ab 2010 wurden in den Jahren 2012 bis 2015 teilweise noch umfangreiche Bekämpfungsmaßnahmen durchgeführt. Diese führten zu einem deutlichen Rückgang des EPS. Spätestens seit dem „Rekordsommer“ von 2018 erholte sich die wärmeliebende Art jedoch und an immer mehr Straßenabschnitten lassen sich deshalb die typischen Raupen-Nester in immer größerer Zahl finden. Nach enttäuschenden Versuchen, das Problem lokal durch das mechanische Entfernen der Raupen und Nester zu lösen, ist deshalb in diesem Jahr wieder ein umfangreicherer Biozid-Einsatz erforderlich. Auf Basis eines detaillierten Nester-Monitorings ist geplant, etwa 90 Kilometer stark befallener Allee-Abschnitte zu behandeln. Diese verteilen sich insbesondere im Bereich des Altkreises Ludwigslust.

Die geplanten Maßnahmen dienen der Abwehr gesundheitlicher Gefahren, die durch sogenannte Brennhaare ausgelöst werden können. Diese mikroskopisch kleinen Härchen werden von den Raupen ab dem dritten Stadium zu Hunderttausenden gebildet und können durch Wind mehrere hundert Meter weit verfrachtet werden. Die häufigsten Krankheitserscheinungen sind stark juckende allergische Haut-Reaktionen (Raupenhaar-Dermatitis) sowie Entzündungen der Augen/Bindehaut oder der oberen Atemwege. Schwere, teilweise lebensbedrohliche Reaktionen können bei besonders sensibilisierten Personen ebenfalls auftreten – sind jedoch sehr selten. Ähnlich wie bei Reaktionen auf Pollen, sind das Auftreten und die Schwere der Symptome individuell sehr unterschiedlich. Haustiere (Hunde, Pferde etc.) sind ebenso betroffen wie Menschen.

Die Behandlung wird mit dem Produkt Foray ES, einem biologischen Insektizid auf Basis eines Bodenbakteriums (Bacillus thuringiensis, Bt), erfolgen. Dieser Wirkstoff weist besonders wenige unerwünschte Nebenwirkungen auf und wird vom Umweltbundesamt für die EPS-Bekämpfung empfohlen. Er ist ungiftig für Menschen und andere Wirbeltiere und wirkt selektiv auf Schmetterlingsraupen. Bienen und andere Insekten sind deshalb nicht von dem Einsatz betroffen. Für eine möglichst effektive Behandlung wird das Biozid mit einem Hubschrauber ausgebracht. Dafür müssen die Straßenabschnitte für eine kurze Zeit vollständig gesperrt werden. Je nach Wetterlage wird der Einsatz zwischen Ende Mai und Anfang Juni an voraussichtlich zwei Tagen durchgeführt. In dieser Zeit muss im gesamten Einsatzgebiet mit entsprechenden Verkehrsbehinderungen gerechnet werden. Da optimale Einsatz-Bedingungen nur für weniger Tage zuverlässig vorhersagbar sind, kann der exakte Termin nur sehr kurzfristig bekanntgegeben werden.

Im Folgenden werden Fragen beantwortet, die immer wieder im Zusammenhang mit dem Einsatz von Bt-Präparaten gegen freifressende Schmetterlingsraupen gestellt werden und hauptsächlich die Auswirkungen dieser Insektizide auf die Umwelt sowie auf die Gesundheit von Mensch und Tier betreffen. Jede Frage wird zunächst kurz zusammengefasst und dann in einem nachfolgenden Absatz detailliert beantwortet, so dass dem Leser unterschiedliche Informationsniveaus zur Verfügung stehen.

(Die Fragen und Antworten basieren auf folgende Veröffentlichung: Dr. R. Petercord, Dr. H. Delb, Dr. H. Schröter, FVA Baden-Württemberg, Abteilung Waldschutz, Stand 01.05.2008)

Häufig gestellte Fragen

1. Wofür steht die Bezeichnung Bt?

Die Bezeichnung Bt ist eine Abkürzung für das Bodenbakterium Bacillus thuringiensis, verwendet wird die Abkürzung jedoch vor allem im Zusammenhang mit dem Toxin des Bakteriums. Bacillus thuringiensis ist weltweit verbreitet und zeigt unter bestimmten Bedingungen insektizide Wirkung. Auf der Basis der von Bacillus thuringiensis erzeugten Toxine (Endotoxine) beruhen alle Bt-Präparate. Als Bt-Präparate werden Insektizide bezeichnet, deren Wirkung auf Bacillus thuringiensis–Endotoxinen beruht. Sie bestehen in der Regel aus getrockneten Bakterien-Sporen und den kristallinen Endotoxinen als Hauptkomponenten. Bt-Präparate werden als wasserdispergierbares Granulat oder als Suspensionskonzentrat im Handel vertrieben. Vor der Ausbringung müssen sie in Wasser gelöst bzw. verdünnt werden.

2. Wie wirken Bt-Präparate?

Bt-Präparate wirken als selektive Insektizide mit Fraßgiftwirkung. Insekten nehmen die zunächst ungiftige Form (Protoxin) des als Kristallprotein vorliegenden Endotoxins mit der Nahrung auf. Im Mitteldarm des Insekts herrscht ein alkalischer pH-Werte, dort werden die Kristallproteine durch Enzyme (Proteasen) gespalten und damit die inaktiven Protoxine zur eigentlichen Toxinform umgewandelt. Diese können sich nun an spezifische Rezeptoren der Darmwand binden. Spezielle Bestandteile des Toxins senken sich daraufhin in die Zellmembran der Darmwand und verursachen dort die Entstehung von Poren. Die Darmwand wird so regelrecht perforiert. Dies führt zu einem sofortigen Fraßstopp, einer Diarrhoe und in Folge dessen zum Austrocknen der Larven (Symptomatik der Schlaffsucht). Letztlich gelangen Darmbakterien durch die Poren in den Blutkreislauf (Hämolymphe) und verursachen dort eine „Blutvergiftung“, die zum Absterben des Insekts führt.

3. Warum wirken Bt-Präparate selektiv?

Bt-Präparate wirken selektiv auf Schmetterlingsraupen und Larven einiger weiterer Insektenarten. Die Selektivität der Bt-Präparate beruht auf mehreren aufeinander aufbauenden Bedingungen, die alle erfüllt sein müssen:

  1. Das kristallisierte Protoxin muss gefressen werden.
  2. Im Darm muss ein alkalischer pH-Wert vorliegen (pH > 9), um die Kristallstruktur aufzulösen.
  3. Spezifische Proteasen (Enzyme) müssen vorhanden sein, um die ungiftigen Protoxine in einem ersten Verdauungsschritt in die aktive Toxinform zu überführen.
  4. Auf dem Epithel des Mitteldarms müssen die passenden Rezeptoren vorhanden sein, damit das Toxin über seine spezifische Schlüsselstruktur an die Epithelmembran andocken kann (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Nur wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, wirkt das Bt-Kristallprotein toxisch.

4. Gegen welche Insekten und wo werden Bt-Präparate eingesetzt?

Bt-Präparate werden im Pflanzenschutz gegen freifressende Schmetterlingsraupen und Käferlarven eingesetzt. Darüber hinaus können im Rahmen der Schädlingsbekämpfung Bt-Präparate als Biozide auch gegen die Larven von Zweiflüglern (Fliegen und Mücken) und Käfer eingesetzt werden. Bt-Präparate werden heute weltweit im Pflanzenschutz eingesetzt. Eine besondere Bedeutung haben sie als natürliches Insektizid im Ökologischen Landbau, etwa 90 % der weltweit eingesetzten biologischen Schädlingsbekämpfungsmittel sind Bt-Präparate. In Deutschland werden Bt-Präparate heute im Kartoffel-, Obst- und Gemüsebau, im Weinbau, im Zierpflanzenanbau, in der Forstwirtschaft sowie im öffentlichen Grün verwendet. Darüber hinaus werden Bt-Präparate zur umweltfreundlichen Bekämpfung von Stech-, Kriebel- und Trauermücken Larven als Hygienemaßnahme sowie zur Bekämpfung von Raupen der Großen Wachsmotte in der Imkerei eingesetzt.

5. Wie wirksam sind Bt-Präparate?

Die Wirksamkeit von Bt-Präparaten ist abhängig von der Aufnahmerate und dem Entwicklungsstadium des zu bekämpfenden Insekts. Bei sachgerechter Anwendung kann ein Wirkungsgrad von 70 – 90 % erreicht werden. Der Bekämpfungserfolg hängt im Wesentlichen davon ab, dass bei der Ausbringung der Präparate eine gute Benetzung der Blätter/Nadeln als Fraßobjekt erzielt wird, die Witterungsbedingungen für den Larvenfraß günstig sind und möglichst junge Larvenstadien getroffen werden. Es wird daher empfohlen, bei der Bekämpfung von freifressenden Schmetterlingen darauf zu achten, dass zum Bekämpfungszeitpunkt eine, sowohl für die Ausbringung des in Wasser gelösten Pflanzenschutzmittels als auch für den Blattfraß der Schmetterlingsraupen, ausreichend große Blattmasse vorhanden ist. Zudem müssen bei der Ausbringung trockenwarme Witterungsbedingungen herrschen. Die Blattorgane dürfen nicht mehr vom nächtlichen Tau benetzt sein. Die Temperatur muss im Tagesverlauf mehrere Stunden lang mindestens 15 °C aufweisen, damit eine ausreichende Fraßaktivität gewährleistet ist und das Mittel so rasch wie möglich aufgenommen wird.

6. Wie lange sind Bt-Präparate wirksam?

Die Wirkungsdauer von Bt-Präparaten hängt davon ab, wie lange sie am Fraßort intakt vorhanden sind. Bt-Präparate werden bei starkem Regen abgewaschen und sind zudem empfindlich gegenüber UV-Strahlung. Ihre Wirkungsdauer ist daher stark abhängig vom Anwendungsgebiet und den Witterungsbedingungen während und nach der Ausbringung. Bei Waldschutzmaßnahmen wird von einer maximal einwöchigen Wirkungsdauer ausgegangen. Bei der Ausbringung ist darauf zu achten, dass auch die Blattunterseiten gut benetzt werden und eine gute Durchdringung des Waldbestandes erzielt wird. Zur Ausbringung des Mittels sind rotorgetriebene Luftfahrzeuge, die in geringem Abstand über den Bestand fliegen können und eine zusätzliche Verwirbelung des Sprühnebels erzeugen, besonders geeignet.

7. Wie erfolgt der Abbau der Bt-Präparate?

Bt-Präparate werden durch die UV-Strahlung inaktiviert und letztlich durch Mikroorganismen vollständig abgebaut. Im Boden können die Endotoxine als Proteine an Tonminerale gebunden werden und sind so vor dem mikrobiellen Abbau geschützt. Dies führt zu einer erhöhten Persistenz und Akkumulation der Toxine im Boden. Die Wirkung der Toxine bleibt trotz der Bindung erhalten und kann unter diesen Umständen sogar erhöht werden. Da dieser Prozess besonders bei der mechanischen Einarbeitung von Endotoxinen mit Pflanzenresten in den Boden zu beobachten ist, spielt er beim Einsatz von Bt-Präparaten in der Forstwirtschaft keine Rolle.